Montag, Juli 08, 2013

Lucas Schoppe analysiert rechte Denkfiguren bei Alice Schwarzer und ihren Erben

Ausgehend von einer kurzen Erörterung des totalitären Anspruch des Feminismus, keinerlei abweichende Meinung gelten zu lassen, beschäftigt sich Lucas Schoppe heute mit der männerfeindlichen Rhetorik Alice Schwarzers, die mitunter auch schwule Männer trifft:

Dass der §175 Homosexualität von Männern, nicht aber von Frauen unter Strafe stellte und dass die Nazis auf dieser Grundlage viele Tausende von schwulen Männern in Konzentrationslager deportierten, quälten und ermordeten – das erscheint bei Schwarzer (...) in einer absurden Opferkonkurrenz als ein Zeichen des Diskriminierung von Frauen, die schlicht und wie üblich nicht wahrgenommen worden seien.


Dabei bleibe Schwarzer einer sehr einseitigen Darstellung des Geschlechterverhältnisses verhaftet, die ihren Männerhass nähre:

Die Grundlage für diese Imagination einer umfassenden Unterdrückung, ja Versklavung der Frau durch den Mann ist die völlige Ignoranz gegenüber einer männlichen Perspektive. Kaum einmal bleibt Raum für die Erwägung, dass auch Männer mit geschlechtsspezifischen Nachteilen und Einschränkungen konfrontiert sein könnten – und selbst wenn Männer einmal als "Opfer" erscheinen, besteht Schwarzer umgehend darauf, dass doch die Frauen die "Opfer der Opfer" (...) seien.


Wer sich eingehender mit Schwarzers Rhetorik befasse, stoße auf irritierende Parallelen zu anderen Formen menschenfeindlichen Sprechens:

Ganz ohne Scheu knüpft Schwarzer in ihrer Schrift damit an die etablierten Topoi einer Rhetorik des Fremdenhasses an: Sie trennt säuberlich das "Eigene" und das "Andere", imaginiert das "Eigene" als rein, friedlich und gesund, das "Andere" als gewalttätig, pervertiert und krank und erregt sich an der Vorstellung, dass dieses "Andere" in das "Eigene" eindringt, es schändet und beschmutzt. Schwarzers Aggression gegen die Sexualität von Mann und Frau und ihre Fixierung darauf greifen ebenfalls auf die Traditionen des Fremdenhasses (genauer: des Hasses auf die als "fremd" Imaginierten) zurück, die ihren Höhepunkt wenige Jahrzehnte zuvor in den Stürmer-Darstellungen von jüdischen Männern gefunden hatten, die dort als Schänder und Versklaver der als rein imaginierten arischen Frauen diffamiert wurden.

Dass Schwarzer so ungerührt an diese Traditionen anknüpfen konnte, hat seinen Grund wohl auch darin, dass ihre Schrift sich zugleich unschwer in deutsche Selbstentschuldungs-Rhetoriken einpassen ließ. Sie imaginierte darin immerhin eine besetzte Welt, die jedoch in ihrem Kern rein und unschuldig geblieben sei und deren Reinheit auch wieder offenbar werden könne, wenn die Besatzer erst einmal abgeschüttelt seien. Wenn Margarethe Mitscherlich zehn Jahre später in ihrem Buch "Die friedfertige Frau" wieder und wieder die Phantasie einer Unschuld der deutschen Frauen an den nationalsozialistischen Verbrechen formulierte, dann griff sie damit also auch auf Schwarzers Ansatz zurück und explizierte ihn.

So hatte die Imagination einer weiblichen Unschuld im Rahmen einer deutschen Entschuldungsrhetorik durchaus für Frauen wie für Männer Vorteile. Nicht nur erschienen Frauen als unschuldig, auch Männer konnten an ihrer Unschuld teilhaben, wenn sie ihre traditionelle Rolle als Beschützer der Frauen wahrnahmen. In dieser Perspektive hat der bundesrepublikanische Feminismus also möglicherweise eine ähnliche Funktion erfüllt wie der ("verordnete") Antifaschismus der DDR – nämlich den eigenen Anhängern die Illusion zu schaffen, sie seien gleichsam naturwüchsig unschuldig an den deutschen Verbrechen.


Schwarzers Rhetorik erkläre, warum sie heute so sehr wie ein wandelnder Anachronismus wirke:

Für Menschen, die Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren wurden, hat die Idee einer eigenen Teilhabe an der deutschen Schuld aus guten Gründen keine Plausibilität mehr – und Schwarzers verbissene Reinheitsrhetorik, die eben immer auch eine Rhetorik der Schuldverdrängung war und ist, erfüllt aus dieser Perspektive keine erkennbare Funktion. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus stimmig, dass die feministische Übermutter in dem Gefühl, ihre Position verteidigen zu müssen, ausgerechnet bei der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises 2008 die Situation von Frauen mit der von Juden verglich und bei eben dieser Gelegenheit mit dem "Wellness-Feminismus" einer jüngeren Generation abrechnete (dazu damals auch Genderama).

Was für heutige Feministinnen trotz allem aber sehr wohl brauchbar geblieben ist, ist die selbstbezügliche Struktur von Schwarzers Feminismus – über die Ausblendung einer männlichen Perspektive die Vorstellung einer weiblichen Unterdrückung zu entwerfen und mit dieser Vorstellung dann wiederum die Ausblendung der männlichen Perspektive zu legitimieren. Daher also dürfen Männer bei der "Wer braucht Feminimus?"- oder der "Aufschrei"-Kampagne jeweils nur mit linientreuen Äußerungen teilnehmen, und daher stoßen eigenständige Statements von Männern auf eine regelrecht potenzierte Abwehr: Noch nicht einmal die Tatsache, dass Männer (und auch Frauen mit abweichenden Meinungen) den Mund zu halten haben, darf thematisiert werden, um die graswurzelhaft-offene Je-ka-mi-Selbstpräsentation der Kampagnen nicht zu gefährden.

Abweichende Äußerungen erscheinen als Trollerei, als Shitstorm, als Derailing – und so hat sich dann eben auch die problematischste Struktur von Schwarzers Denken ungetrübt erhalten, nämlich die Phantasie eines reinen "Eigenen", das durch das Eindringen eines böswilligen "Anderen" gefährdet ist.


Hier findet man den vollständigen Text.

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